2.5 Elektronische Informationssysteme
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1981 bot IBM erstmals Personal Computer (PC) für den privaten Be-
darf an. Gleichzeitig wurden die PC mit anwenderfreundlicher Software
ausgestattet, die Textverarbeitung, Einsatz von Graphiken und weitere An-
wendungen ermöglichten. Der Einsatz des PC bedeutete für das Archivwe-
sen einen tiefen, grundlegenden Wandel. Großrechneranlagen ließen sich
zentral steuern und lieferten Informationen, die zu kontrollieren dem Ar-
chivar noch möglich schien. Der PC führte zur Dezentralisierung und aus
archivischer Sicht zur Unübersichtlichkeit. Er vervielfachte und beschleu-
nigte die Daten- und Informationsverarbeitung in Verwaltungen und Un-
ternehmen. Das „elektronische Büro" begann sich abzuzeichnen und wur-
de in den späteren 1980er Jahren mancherorts schon Realität. Vorher setz-
ten sich noch elektronische Archivierungssysteme im Massengeschäft von
Banken und Versicherungen durch.
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Kosten für Aktentransport und La-
gerung, die Vorteile einer vereinfachten Vorgangsbearbeitung, die zügige
Bearbeitung von Kundenwünschen - all dies machte das elektronische Ar-
chiv unentbehrlich. Im technischen Bereich von Unternehmen kamen
C(omputer) A(ssisted) D(esign)-Systeme zum Einsatz, die es seitdem er-
möglichen, Konstruktionszeichnungen elektronisch „abzulegen". Ältere
Plan- oder Mikrofilmarchive wurden entweder durch Scanner erfaßt und
integriert oder als abgeschlossener Bestand in das Archiv integriert. Um-
fassende technische Dokumentationen für Großanlagen werden nicht
mehr auf Papier, sondern auf optischen Speichermedien (vgl. S. 96) ausge-
liefert.
2.5.3 Neueste Trends der Informationstechnologie
Eine systematische Analyse der jüngsten Trends der Informationstechno-
logie muß mit dem Informationsaustausch beginnen.
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(1.) Die Vernetzung von PCs untereinander begann in der Mitte der
1980er Jahre. Computer- und Telekommunikationssysteme fügten sich zu
Netzwerken zusammen, zuerst in lokalen Rahmen (Local Area Net), dann
weltweit. Das Internet verband 1995 40 Millionen Anwender in 109 Län-
dern. Unternehmen und Einzelpersonen ist es möglich, zur gleichen Zeit
an vielen Stellen auf der Erde tätig zu sein. Die weltweite Vernetzung ver-
ändert qua Beschleunigung nicht nur den Austausch, sondern auch die
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Gulbins, Jürgen/Seyfried, Markus/Strack-Zimmermann, Hans: Elektronische Ar-
chivierungssysteme. Image-Management-Systeme, Dokument-Management-Sy-
steme, Berlin 1994, S. 275ff.
56
Vgl. hierzu Dollar, Charles M.: Die Auswirkungen der Informationstechnologien
auf archivische Prinzipien und Methoden, übers, und hrsg. von Angelika Menne-
Haritz, Marburg 1992 (= Veröffentlichungen der Archivschule Marburg - Institut
für Archivwissenschaft. 19), auch für das Folgende.
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2. Das Archivgut der Wirtschaft
Entstehung von Informationen grundlegend. Weil es jedem Teilnehmer im
Netz möglich ist, Mitteilungen, Texte, Dokumente und Software zu versen-
den, ist es oft nicht mehr möglich, den Entstehungszusammenhang zu re-
konstruieren.
(2.) In der Informationserfassung trat an die Seite der Tastatureingaben
zunehmend die optische Zeichenerkennung (Optical Character Recogni-
tion), die eigentlich kein neues Verfahren ist. Schon die Beleglesung im
Großrechner-Verfahren der 1960er Jahren beruhte auf OCR-Verfahren.
Aber erst der technische Fortschritt beschleunigte die Konversion von Zei-
chen auf optischen Speichermedien. Dabei werden Scanner (Kameras)
eingesetzt, die neben Texten auch Graphiken erfassen. Relativ neu ist die
Technologie der digitalen Bildverarbeitung. Sie erstellt eine elektronische
Abbildung von schriftlichen Unterlagen und speichert sie digital im Com-
puter. Digitalisierte Informationen können auf dem Rechner weiterbear-
beitet werden.
(3.) Die Informationsverarbeitung nimmt in Dokumenten-Manage-
ment-Systemen (DMS) dank der fast unbegrenzt wachsenden Speicherka-
pazitäten immer mehr Informationen elektronisch auf. Workflow-Systeme
unterstützen die Vorgangsbearbeitung vom Posteingang über die Sachbe-
arbeitung bis zum Versand elektronischer Post oder bis zur Ablage.
(4.) Bei Computeranwendungen geschah die Informationsspeicherung
auf magnetischen Speichern: auf Bändern, Kassetten und Platten.
57
Als
Neuentwicklung kamen optische Medien hinzu. Eine Aufzeichnungsober-
fläche wird durch Laserstrahlen verändert. WORM-Platten (Write-Once-
Read-Many) werden einmal beschrieben und wiederholt gelesen. Sie sind
unveränderbar. Die größte Speicherkapazität besitzt derzeit die CD-ROM
(Compact-Disc-Read-Only-Memory). Sie ist im 4,72 Inch-Format standar-
disiert und eignet sich für die Verbreitung großer Mengen von Informatio-
nen.
(5.) Die Symbiose von herkömmlich getrennten Informationsträgern
von Text, Bild, Ton und Film, eingebettet in interaktive Programmabläufe,
wird heute unter dem Schlagwort Multimedia zusammengefaßt.
58
57
Wettengel, Michael: Maschinenlesbare Datenträger: Zusammenstellung archiv-
relevanter Normen und Standards elektronischer Speichermedien,
in:
Der Archi-
var 48,1995, Sp. 461-472; vgl. die Referate auf dem 63. Deutschen Archivtag in
Berlin 1992, in: Der Archivar 46, 1993, Sp. 63ff. sowie die Referate auf dem
64. Deutschen Archivtag in Dresden 1994, in: Der Archivar 48,1995, Sp. 63ff.
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Ich benutze Überlegungen meines Kollegen Frank M. Bischoff, Staatsarchiv
Münster, Perspektiven der Sicherung und Nutzung von Archivgut. Zum Einsatz
von Multimedia in Archiven, Dezember 1996.
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