4 1 Zur theoretischen Verortung der Unterstützenden Didaktik
subjektiven Konstruktionsprozess beeinflussen können. Siebert (2005, 24) stellt dazu
fest: „Schon der ‚symbolische Interaktionismus‘ hat darauf hingewiesen, dass wir auf der
Grundlage sozial vermittelter Deutungen und Bedeutungen handeln. Unsere Wirklich-
keitskonstrukte steuern das Handeln und Verhalten, aber diese Konstrukte wiederum
sind – trotz aller Autopoiese – gefärbt von unserer sozialen und kulturellen Umwelt.“ Das
Prinzip der Viabilität lässt sich wörtlich etwa mit „Gangbarkeit“ übersetzen, kann aber
auch mit Bedeutungen wie Brauchbarkeit, Nützlichkeit oder Funktionalität belegt wer-
den. Im Kontakt mit der sozialen und materialen Umwelt werden die subjektiven Hand-
lungs- und Denkstrategien auf ihr Potenzial überprüft und realisiert, die mit hoher Wahr-
scheinlichkeit erfolgreich zum Erreichen des intendierten Ziels führen. Als wahr werden
somit Strategien empfunden und klassifiziert, die funktionieren, eine lebensdienliche
Orientierung und erfolgreiches Handeln ermöglichen (vgl. von Glasersfeld 1997, 122).
Erweisen sich Strategien als im Rahmen des eigenen Planungs- und Zielerreichungspro-
zesses wenig sinnvoll, so steht die Viabilität auf dem Prüfstand. Die Konstruktion muss
revidiert und ein neuer, gangbarer Weg ermittelt werden. Dabei werden sich letztendlich
und dauerhaft nur Strategien durchsetzen können, die sozial verträglich, vernünftig und
mit den Interessen und Viabilitäten anderer Menschen kompatibel sind. Trotz der An-
nahme letzterer so genannter Viabilität 2. Ordnung werden dem radikalen Konstruktivis-
mus in der einschlägigen Fachdiskussion immer wieder Defizite und Schwierigkeiten bei
der Erklärung ethisch-moralischen Handelns vorgehalten.
1.2 Zum Konstruktivismusverständnis der
Unterstützenden Didaktik
Es ist bereits erwähnt worden, dass es inzwischen eine nahezu unüberschaubare Vielfalt von
konstruktivistischen Theoriebildungen und -derivaten expliziter und impliziter Art gibt. Als
zur Einführung geeignete Übersichten können die Publikationen von Kersten Reich (2006,
85 ff.) und Horst Siebert (2008) empfohlen werden.
Im Folgenden sollen nun die für das grundlegende Konstruktivismusverständnis der Unter-
stützenden Didaktik tragenden Prinzipien erläutert werden.
In einem ersten Entwurf zu diesem Modell (Hansen 2002, 2004) war eine Abgrenzung vom
radikalen Konstruktivismus und eine Orientierung an einer gemäßigten Variante, dem so
genannten kognitiven Konstruktivismus, postuliert worden. Jedoch hat sich der Ordnungsbe-
griff des kognitiven Konstruktivismus in der einschlägigen Debatte nicht durchgesetzt – oder
wenn man so will, er hat sich als wenig viabel erwiesen. Insofern erscheint zumindest für die
Systematisierung eine neue Orientierung indiziert. Vor allem wird weiterhin von einer Un-
terscheidbarkeit von ontischer Realität jenseits jeder Beobachtung und Erlebenswirklichkeit
ausgegangen. Die kognitiven Repräsentationen dieser Wirklichkeit entsprechen zwar nicht
einer isomorphen Abbildung von Außenwelt, sie werden aber als korrespondierend mit der
Wirklichkeit interpretiert.
1.2 Zum Konstruktivismusverständnis der Unterstützenden Didaktik 5
Abb. 1.2 Grundfragen des Konstruktivismus
Auch Kersten Reich (2006, 114), der als Vertreter eines interaktionistischen Konstruktivis-
mus sozial-kulturelle Kontexte im Zusammenhang mit Konstruktionsprozessen eindeutig in
den Vordergrund seiner Überlegungen stellt, scheint sich dem Gedanken einer beobachter-
unabhängigen Welt nicht zu verschließen, wenn er folgendes Gedankenmodell vollzieht:
„Gesetzt den Fall es gäbe keine Menschen, ist es dann wahrscheinlich, dass es keine Welt
mehr gibt? Wohl kaum. Die Behauptung, dass wir allein die Welt ausmachen, ist vielleicht
für unser subjektives Bewusstsein schlüssig, aber es ist logisch nicht schlüssig, daraus ablei-
ten zu wollen, dass wir damit in eine Identität mit der Welt fallen. Insoweit ist es viabel, eine
bewusstseinsunabhängige Welt als außermenschliche Möglichkeit zuzugestehen.“ Konstitu-
tiv für das in der vorliegenden Publikation vertretene Didaktikverständnis erscheint in An-
lehnung und Erweiterung der Position von Siebert (2005, 24) ein dreidimensionaler Blick.
Ausgangspunkt ist dabei der von ihm empfohlene „doppelte Blick“: „Die Radikalität des
epistemologischen Konstruktivismus wird durch einen kulturalistischen sozialen Konstrukti-
vismus entschärft und
abgefedert‘, ohne dass die Einsicht in die operationale Geschlossen-
heit unseres Gehirns wieder verloren geht.“ Didaktisch erscheint es zusätzlich in Bezug auf

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