52 2 Kennenlernen
2.1.5 Geschenke
Kommunikation beim Geschenkgeben und -nehmen
Zu schenken oder Geschenke anzunehmen ist in der chinesischen Gesellschaft wie
ein Theaterakt.
Oft ist man verpflichtet, ein Geschenk zu übergeben. Dabei ist es ein Muss, ein
Geschenk anzunehmen. Bevor man das Geschenk annimmt, beginnt meist ein „klei-
nes Spiel“ um ablehnendes bzw. annehmendes Verhalten. Die Prozedur ist oft die
folgende:
Der Schenkende soll sagen: „Erweisen Sie mir die Ehre, mein Geschenk anzu-
nehmen.“ (Wuqing shangguang) oder „Es ist nur eine Kleinigkeit, bitte nehmen
Sie diese an.“ (Ququ boli, qing xiaona.). Zu beachten ist allerdings, dass die Ab-
lehnung eines Geschenks für den Gastgeber einem „Gesichtsverlust“ gleich-
kommen würde.
Der Beschenkte antwortet: „Du bist zu höflich.“ (Ni tai keqi le.) oder „Ich bin
nicht in der Situation – wert bzw. würdig, ein Geschenk zu bekommen.“
(Shouzhi youkui).
Der Schenkende sagte daraufhin: „Bitte betrachte mich nicht als Fremden“
(Qing bie jianwai.). Damit wird ausgedrückt, dass man von Fremden nur ein
Geschenk nicht annimmt. Da man aber befreundet ist, darf man das Geschenk
annehmen.
Der Beschenkte antwortet schließlich: „Na dann, ich nehme es mit Hochachtung
gegenüber Dir an“ (Name gongjing buru congming).
Tab. 2.3: Höflichkeitsfloskel zwischen Gastgeber und Gast beim Schenken
Der Gast Der Gastgeber
Wuqing shangguang.
Ququ boli, qing xiaona.
Qing biejianwai.
Ni taikeqi le.
Shouzhi youkui.
Name gongjing buru congming.
Normalerweise legt ein Chinese ein Geschenk zur Seite und öffnet dieses, wenn der
Gast gegangen ist. Beim Empfang des Geschenks sagt er bescheiden, – wie oben
erwähnt – dass man es nicht verdient habe, z. B.:
„Ah, warum haben Sie mir etwas geschenkt?! Wenn Sie kommen, ist es schon
gut genug!“ (Ai ya, hai song liwu ganshenme, ren lai jiu hao le.)
„Dies/es ist mir sehr peinlich.“ (Zhen shi bu hao yisi la!)
2.1 Einstieg 53
„Bitte machen Sie das beim nächsten Mal nicht mehr.“ (Xiabu weili.)
„Sie haben (zu viel) Geld ausgegeben.“ (Rang nin pofei le! )
Die beiden Partner wissen, dass die ganze Prozedur ein Theater ist, aber um sein
„Gesicht zu wahren“ und „eines zu geben“, muss man trotzdem diese Szene zeleb-
rieren (vgl. Yi, Zhongtian, 2007, S. 157–158; Yu, Xiangyong, 2008). Es ist auch
eine der vielen Eigenarten der chinesischen Höflichkeit und Bescheidenheit.
Dieses Verhalten dient nur zur Gesichts- und Balancewahrung und ist eine andere
Art, seine Freude darüber zum Ausdruck zu bringen, ohne womöglich überschwäng-
lich die Fassung zu verlieren. Wichtig ist die darauf folgende Reaktion des schen-
kenden Gastes, das Mitbringsel nur als eine „kleine“ Ehrerbietung zu deuten. Die ist
nicht viel, aber die „hohe“ Gastfreundschaft soll die entsprechende Titelwürde des
Gastgebers unterstreichen.
Man verschenkt bei großen Feiern keine ungerade Stückzahl als Geschenk, man
bevorzugt vielmehr gerade Zahlen. Die Zahl „vier“ ist jedoch vor allem für die Kan-
toner (in Südchina) ein Tabu, denn es klingt wie das Wort Tod. „si“. Sie verweist
auf Unglück. Die Farben Weiß und Schwarz sind auch ungeeignet. Sie sind die
traditionellen Trauerfarben. Dagegen ist die rote Farbe als „glückliche“ Farbe will-
kommen (vgl. Yu, Xiangyong, 2008).
Im Vergleich zu westlichen Menschen und besonders den Europäern loben Chinesen
seltener das Geschenk selbst. Sie achten oder betonen eher den Geldwert und erfreu-
en sich daran. Einfache sowie günstige Geschenke werden nicht geschätzt. Wie
hauchzart die Grenze zwischen richtigem Verhalten und einem Fauxpas liegt, zeigt
auch die Auswahl der passenden Farbe des Geschenkpapiers sowie die Beachtung
unterschiedlicher kulturspezifischer Eigenheiten. In einer internationalen Verhand-
lungssituation werden den chinesischen Gruppen normalerweise Geschenke mit
„rotem Etui“ bzw. Briefumschlag überreicht.
Auf die Balance zwischen Geben und Nehmen achten besonders Deutsche oft nicht
ernsthaft genug. Sie denken, das Schenken käme aus freien Stücken und man
bräuchte diese Geste nicht unbedingt zu erwidern. Für die Chinesen bedeutet aber
jedes Nehmen ein Zurückgeben in der Zukunft, und für jedes Geben erwarten sie
auch ein späteres Gegengeschenk. Wird man zum Essen eingeladen, wird auch da
eine Gegeneinladung nahezu selbstverständlich erwartet. Der Sinn eines Geschenks
gleicht im Alltag eher einem Ritual, um eine Beziehung zu erhalten – und muss
daher auch erwidert werden. Chinesen achten und schätzen sehr genau den materiel-
len Wert eines Geschenks und weniger die (möglicherweise gespielte) Aufrichtigkeit
oder Emotion des Schenkenden.
Für das Schenken gibt es bestimmte Termine und Gelegenheiten. In China beschen-
ken sich die Menschen oder die Unternehmen gegenseitig wie untereinander an

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