174 5 Grundlagen der Verhandlung mit Chinesen
1985, S. 2; zit. nach Xie, Mingzhang, 2004, S. 29), auch bezüglich des kulturellen
und natürlichen Vorteils (gewohnte Klima-/Zeitzone, Lebensmittel, Tagesrhythmus
etc.). In China versucht man immer auch die Umgebung, in der eine Verhandlung
stattfinden soll, so zu beeinflussen, damit die Situation vorteilhaft für einen selbst ist
(vgl. ebd., S. 31). Weiterhin wird eine Verhandlung in inoffiziellen bzw. informellen
Situationen durchgeführt, wie beim Empfang am Flughafen, auf dem Weg zum
Hotel, vor allem durch Small Talk oder Klatschen. In einer solchen entspannten
Atmosphäre lässt sich die eigene Motivation besser vermitteln und die Meinung des
Gegenübers leichter beeinflussen (vgl. Xie, Xun, 2007, S. 115, 119).
Sich um die direkte Beantwortung einer Frage drücken oder vermeiden
Die chinesische Seite weicht Fragen gerne aus oder antwortet nur je nach Situation.
Manchmal ‚drückt‘ sie sich auch bewusst um die direkte Beantwortung einer Frage.
Man versucht so z. B. durch auf die Toilette gehen oder Telefonieren einer ‚schar-
fen‘ bzw. kritischen Frage auszuweichen (vgl. Xie, Xun, 2007, S. 127).
Beispiel
Ein westlicher Journalist hat den früheren Premierminister Zhou Enlai nach dem
Kapital der chinesischen Bevölkerung gefragt, aber er hat so geantwortet: „Die
Chinesische Volksbank hat die Währungen zu 10, 5, 1 Yuan etc.“ (vgl. ebd., S.
132).
Verzögerungsprinzip
Aufgrund der verschiedenen Zeitvorstellungen haben die Chinesen mehr Geduld als
viele Menschen in westlichen Ländern. Die chinesischen Verhandlungspartner wol-
len zwar eine Frist setzen, aber sie verzögern oft bewusst diese Frist, bis der Gege-
nüber ‚endlich‘ nachgibt. Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen versucht die chine-
sische Seite die Schwäche und die mögliche Grenze des Gegenübers herauszufinden,
andererseits versucht sie durch Verzögerung die Geduld ihres Gegenübers –‚ (Spiel-)
Gegner‘ zu strapazieren, um den Verhandlungspartner zu schwächen (vgl. Pye, 1982,
S. 25-26; zit. nach Xie, Mingzhang, 2004, S. 31). Bezüglich Verhandlungen haben
Chinesen eine andere – zwiespältige – Vorstellung zwischen lang- und kurzfristig
(vgl. Young, 1968, S. 368; zit. nach Xie, Mingzhang, 2004, S. 28).
Nicht Halten von Vereinbarungen, Drohungen und Wiederholungen
Vereinbarungen und Verträge gelten in westlichen Ländern meist als verbindlich,
werden betont und detailliert eingefordert. Man versucht, eine Vereinbarung bis in
5.1 Verhandeln im Alltag 175
Details durch praktische Fragen und weit verzweigte Probleme festzuhalten wie
festzulegen. Aber der chinesische Verhandlungspartner denkt hier oft anders. Zuerst
sollen und werden grundlegende Prinzipien und Grundsätze besprochen, dann wird
versucht, eine Vereinbarung in groben Zügen zu erstellen und erst dann kommen die
anderen Fragen. Die chinesische Seite fordert ihren Gegenüber auf, einige Prinzipien
und Grundsätze zu akzeptieren. Aber sie vermeidet oft, konkrete und weitere
detaillierte Fragen und Probleme zu diskutieren, damit die Vertragsparagrafen
unklar und schwammig – unkonkret – bleiben – und somit weiterhin
Verhandlungssache bleiben. Ihr Ziel ist es, in Zukunft eine flexible Abklärung,
Interpretation oder Umsetzung des Vertrags zu ermöglichen (vgl. Pye, 1982, S. 25–
26; zit. nach Xie, Mingzhang, 2004, S. 30–31).
Wenn die Verhandlungen nicht gut laufen, versucht die chinesische Seite oft die
Sitzung bzw. Verhandlung zu unterbrechen oder den Austritt als Drohung
einzubringen (und es damit letztendlich auch ernst meint). Eine starre oder harte
Haltung des Gegenübers wird von der chinesischen Seite oft als schuldhaftes
Verhalten für das Unterbrechen oder die Aufgabe einer Verhandlung betrachtet (vgl.
Xie, Mingzhang, 2004, S. 31). Weiterhin wiederholt die chinesische Seite oft die
längst schon diskutierten Themen oder Fragen, was eigentlich aus Sicht der
westlichen Seite schon als erledigt galt. Sie versucht, so zu erreichen, dass ihr
Gegenüber die Vereinbarung oder den Vertrag noch mal korrigiert oder besser noch
gleich zugunsten der chinesischen Vorstellung verändert (vgl. Solomon, 1985, S. 2;
zit. nach Xie, Mingzhang, 2004, S. 30). Oft wird der eigene Widerstand oder eine
Kritik von der chinesischen Seite als Ausrede für die Ablehnung der weiteren
Verhandlungen genannt (vgl. Kissinger, 1979, S. 1056; zit. nach Xie, Mingzhang,
2004, S. 30).
Flexibilität
Der chinesische Verhandlungspartner versucht immer die Grenzen des Gegenübers
herauszufinden und rechtzeitig festzustellen, ab wann vom Gegenüber kein weiteres
Entgegenkommen mehr zu erwarten ist. Dann ist die chinesische Seite plötzlich –
nicht immer, aber manchmal – sehr flexibel und scheinbar großzügig, um mit dem
Gegenüber am ‚Ende‘ doch noch eine Vereinbarung oder einen Vertrag abzuschlie-
ßen (vgl. Solomon, 1985, S. 2; zit. nach Xie, Mingzhang, 2004, S. 30). Denn letz-
tendlich wird immer die Harmonie gesucht und möglichst angestrebt.
Da der chinesische Verhandlungsstil anders ist als in vielen westlichen Ländern, hat
Yang Kaihuang (1991, S. 358) folgende Vorschläge gemacht (vgl. Xie, Mingzhang,
2004, S. 36):

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