208 6 Zusammenarbeit mit Chinesen
Teils katastrophale und mittelalterliche Arbeits- und Lebenssituationen (wie
kaum Licht, schmutziges Wasser) der Einheimischen und Umsiedlungsaktionen
Hoher Preis für westliche Lebensmittel und Biowaren
der chinesische Lebensrhythmus von Ernährungsweisen und Essenszeiten,
Tischsitten (Schmatzen und Spucken etc.)
Mancherorts Unsauberkeit und mangelnde Hygiene
Die Chinesen haben im Allgemeinen folgende Schwierigkeiten beim Leben und der
Arbeit in Deutschland:
kulturelle Langeweile (z. B. zu viele Diskussionssendungen im TV statt 24h
Soaps) bzw. Nichtstun am Wochenende
Ernährungsweisen und strenge Tischsitten
strenge Verkehrsregeln und Straßenvorschriften sowie schnelle Bestrafung bei
Nicht-Einhaltung
mangelnde Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft (oft schwierig, ein Zimmer
und Freunde zu finden etc.) und westliche Art der Zurückhaltung (andere Intim-
zonenregelung, Tabus etc.)
hohe Hygieneansprüche (Deodüfte, auch Wäsche waschen und bügeln etc.) der
Deutschen
Anwendung der Grammatik (komplizierte Konjunktive, konditionale Zeiten
etc.)
freizügiger Umgang mit Erotik, Flirten in der Öffentlichkeit, die liberale Art des
Kleidens und Trends (Konsum, Fashion, Lifestyle etc.)
Vor dem ersten Kontakt prägen auch heute noch trotz Medien (TV und Internet vor
allem) Vorurteile das Bild. Sofort während des ersten Kontaktes entwickelt jeder
Mensch ein wertendes Meinungsbild von seinem Gegenüber und dessen fremder
Kultur. Diese Stereotypen beeinflussen die weitere Interaktion zwischen den ver-
schiedenen Nationalitäten und deren Kulturen.
Die westliche Sachorientierung (fachliche Effizienz, Zielorientiertheit, Zuverlässig-
keit) ist langfristig angelegt und wirkt genauso wie das Sozialgeflecht in Fernost.
Diese beiden grundsätzlichen typischen Vorstellungen prallen jedoch sehr gegen-
sätzlich aufeinander und führen immer wieder zu Irritationen, auch wenn man auf-
grund von Klischees, Internetforen, einschlägiger Ratgeberbücher, TV-
Wissenssendungen scheinbar mit dem Gegenüber vertraut ist. Das höfliche Einge-
hen auf die Vorlieben des anderen löst meist jedoch noch mehr Komplikationen aus.
Wenn sich z.B. ein Chinese aus freundlichem Verständnis heraus bzw. weil er den
Deutschland-Knigge studiert hat und gleich Fakten und Daten verwendet, könnte
6.3 Hintergrundwissen 209
dies fälschlicherweise beim interkulturell geschulten Deutschen bzw. Westler als
Absage seitens des Chinesen ausgelegt werden. Ein auf China geschulter und erfah-
rener Geschäftsmann kann dies sogar zusätzlich irritieren und gegensätzlich inter-
pretieren, wie z.B. „Kommt der Chinese sofort auf den Punkt, dann hat er im Grunde
wenig Interesse an der Geschäftsbeziehung“. Man erwartet inzwischen von Mana-
gern beider Kulturen, dass der Geschäftspartner mit den landestypischen Gepflogen-
heiten nahezu perfekt vertraut ist. Für den Chinesen fällt es leichter als für Deutsche,
da das Nachnahmen und Annehmen eines anderen Verhaltens in der chinesischen
Kultur geübt wird und somit leichter fällt. Es ist daher schwer, das Eis zu brechen
und viele ‚schauspielern‘ daher aus Unsicherheit eine Rolle, von der sie meinen,
dass sie den Erwartungen des anderen entspricht.
Das Menschenbild prägt sich hier durch das Differenzieren des Eigen- und Fremd-
bildes und steht für die langsame Öffnung nach außen hin, zuerst durch die Märkte,
dann durch den Kulturtransfer. Fremdeinflüsse wurden seit jeher in den letzten tau-
send Jahren Geschichte integriert, und konnten bis heute am Stolz, die „Nachkom-
men der Drachen“ zu sein, die direkt unter dem Himmel leben, nichts ändern. Das
Menschenbild ist historisch bedingt und wiederum nur typisch chinesisch veränder-
bar.
6.3.2 Gefälligkeits-/Mitmenschlichkeitskonzept
(renqing, 人情)
In der Zusammenarbeit mit Chinesen spielt weiterhin das „renqing“-Konzept eine
große Rolle. Es orientiert sich am Gegenüber und manifestiert sich im Beachten
bestimmter Regeln im Umgang miteinander. Die Harmonie ist dabei das hohe An-
liegen (vgl. Peng, Huaizhen, 1997, S. 187).
Der Begriff Renqing umfasst vier verschiedene Auslegungen:
Er bedeutet zum einen den Affekt, also das menschliche Empfinden und die
Gefühle zwischen Menschen.
Den gesunden Menschenverstand (ren zhi chang qing, 人之常情). Er verweist
auf die sozialen Situationen zwischen den Menschen. Z.B. in bestimmten sozia-
len Situationen sollte man automatisch so denken, so fühlen oder so reagieren,
wie bei Trauer, Ärger oder Glück.
Menschliche Wärme (renqing wei, 人情味) Renqing bedeutet auch die Ressour-
ce oder den Besitz der Beziehung zwischen den Menschen. Diese Ressource
kann man den anderen geben oder von ihnen empfangen (vgl. Yang, Guoshu,
1992b, S. 102–103; S. 150–151).

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