120 5 Mitbestimmung I: Betriebsebene
ligungsniveaus sind schwächer als die der BR (vor allem bei verteilungspolitischen
Problemen wie Lohn und Arbeitszeit, Pakten zur Beschäftigungssicherung); diese
Gremien sind weniger konfliktfähig, aber nicht bedeutungslos und verfügen mehr-
heitlich über eigene Ressourcen (Hauser-Dietz et al. 2006a, 2006b). „Während Be-
triebsräte vor allem Ausdruck von Betriebsgrößen- und Branchendifferenzen, be-
trieblichen Entwicklungspfaden und berufskulturellen Orientierungen der Beschäf-
tigten sind, stehen AVOs in engem Zusammenhang mit der Beteiligungsstrategie
des Managements und betriebskulturellen Faktoren.“ (Hauser-Dietz et al. 2006b, 33)
5.3 Das duale System der Interessenvertretung
1. In der politischen und wissenschaftlichen Literatur ist häufig vom dualen System
der Interessenvertretung die Rede (für andere Jacobi et al. 1998). Dies soll die juris-
tisch vorgegebene, formal-organisatorische Trennung von BR als gesetzlich veran-
kerter, einheitlicher betrieblicher Interessenvertretung aller Arbeitnehmer und Ge-
werkschaft als grundsätzlich freiwilliger, überbetrieblich-sektoraler Vertretung auf
dem Arbeitsmarkt verdeutlichen. Dieser strikten Unterscheidung der korporativen
Akteure entsprechen unterschiedliche Mittel der Interessendurchsetzung bzw. In-
strumente der Konfliktaustragung: Die Gewerkschaften verfügen über das legalisier-
te Streikmonopol (vgl. Kap. 7), BR sind auf schiedlich-friedliche Mittel der Interes-
sendurchsetzung (einschl. Friedenspflicht) verwiesen. Insgesamt erfolgt eine Sepa-
rierung der existierenden, im Prinzip anerkannten Konfliktsphären in „Arenen“.
Jenseits dieser formalen, für die Arbeitsbeziehungen konstitutiven Trennung beste-
hen in der Realität komplexe Wechselwirkungen personaler und funktionaler Art
zwischen beiden Institutionen, die als „widersprüchliche Einheit“ (Streeck 1979a,
217)
voneinander abhängig und aufeinander angewiesen sind: Seit vielen Jahren sind
ca. zwei Drittel aller BR-Mitglieder und ca. drei Viertel aller BR-Vorsitzenden loya-
le Mitglieder (vgl. im Einzelnen Kap. 5.2) und häufig in ihrem überbetrieblichen
Engagement sogar Funktionsträger von Gewerkschaften. Diese übernehmen die zur
effektiven Amtsausübung notwendige Aus- und Weiterbildung der BR durch Schu-
lungen und andere Fortbildungskurse sowie Informations-, Beratungs- und Unter-
stützungstätigkeit. Ohne diese zentralen organisatorischen Hilfestellungen der Ge-
werkschaften wären BR kaum handlungsfähig. Die Gewerkschaften ihrerseits brau-
chen die BR, u. a. zur Mitgliederwerbung und damit zur Organisationssicherung
(Kotthoff 1985, 82; Müller-Jentsch 1997, 228), da die Verankerung im Einzelbetrieb
ihre organisatorische Basis ist, ohne die sie letztendlich machtlos wären. Entspre-
chend einflussreich sind BR im innergewerkschaftlichen Willensbildungsprozess.

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