1. Der institutionelle Rahmen
1.1 Archiv, Bibliothek, Dokumentation, Museum -
Abgrenzungen und Gemeinsamkeiten
Von
Evelyn Kroker
Archiv
Vom Griechischen „archeion"r Behörde und dem Lateinischen „arca"
r sicherer Ort abgeleitet ist das Archiv die Gesamtheit der Dokumente,
die aus der Tätigkeit oder dem Geschäftsgang einer natürlichen oder juri-
stischen Person entstanden und zur dauernden Aufbewahrung bestimmt
sind. Die archivierten Unterlagen einer Organisation, z.B. eines Wirt-
schaftsunternehmens oder einer Familie, werden ebenso als Archiv be-
zeichnet wie die einer natürlichen Person. Gleichzeitig wird so auch die In-
stitution benannt, deren Aufgabe die Archivierung von Dokumenten ist.
Sie benötigt zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben Räumer Magazin, Ver-
waltung und Benutzung.
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Die im Archiv verwalteten Unterlagen werden als Archivgut bezeichnet.
Sie sind aus der Tätigkeit von Organisationen in Wahrnehmung der jewei-
ligen Aufgaben erwachsen. Daher stehen sie in einem durch die Funktion
der Überlieferung bildenden Stelle bestimmten strukturellen Zusammen-
hang und sind im Prinzip einmalig. Bei diesen Archivalien kann es sich um
Schriftgut, Karten und Pläne, Fotografien, audiovisuelle sowie elektroni-
sche Unterlagen handeln.
Archivgut gelangt aufgrund von Zuständigkeit und Bewertung in das
Archiv: Die im Zuständigkeitsbereich eines Archivs entstandenen Unter-
lagen werden von den Archivaren gesichtet und bewertet und nur dann in
das Archiv übernommen, wenn sie archivwürdig, alsor die dauernde
Aufbewahrung geeignet sind.
Im Archiv wird Archivgut nach seiner Herkunft (Provenienzprinzip) zu
Beständen zusammengefaßt. Die einzelnen Archivalien werden in der
Weise erschlossen, also geordnet und verzeichnet, daß Struktur- und
1
Menne-Haritz, Angelika: Schlüsselbegriffe der Archivterminologie. Lehrmateria-
lienr das Fach Archivwissenschaft, Marburg 1992 (= Veröffentlichungen der
Archivschule Marburg - Institutr Archivwissenschaft. 20), S. 37; diese Veröf-
fentlichung istr terminologische Abklärungen herangezogen worden.
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1. Der institutionelle Rahmen
Handlungszusammenhänge sichtbar gemacht werden. Durch den Bearbei-
tungsvorgang können Archivalien, vor allem Akten, inhaltlich (durch Kas-
sation unwichtiger Teile) und äußerlich (durch Ordnen und Umbetten in
archivgerechte Mappen) verändert werden.
Ein anderer Archivbegriff hat in die elektronische Datenverarbeitung
frühzeitig Eingang gefunden: Er bezeichnet dort den Vorgang oder das Sy-
stem der dauerhaften, langfristigen Speicherung von Dokumenten und
Daten. Dabei finden in der Regel weder Strukturierung noch Bewertung
statt. Umgangssprachlich wird der Begriff Archiv darüber hinausr belie-
bige Sammlungen alter Schriften und Unterlagen verwendet. Verlage
schließlich bezeichnen als Archive Zeitschriften mit Sammlungen von Auf-
sätzen zu bestimmten Themenbereichen.
Bibliothek
Das aus den griechischen Vokabeln „biblion"r Buch und „theke"r
Behältnis zusammengesetzte Wort Bibliothek bezeichnet sowohl das Ge-
bäude wie die in ihm aufbewahrten Materialien. Danach ist eine Biblio-
thek eine zum Zweck öffentlicher oder privater Benutzung aufgestellte
Sammlung von Büchern und Zeitschriften.
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Die Bibliothek verwaltet Bibliotheksgut, also im wesentlichen gedruck-
te Bücher und Zeitschriften. Im Gegensatz zu Archivgut ist Bibliotheksgut
im Prinzip nicht einmalig, sondern eine vielfach vorhandene Handelsware.
In der Regel erwirbt die Bibliothek das Bibliotheksgut durch Kauf. Sie
trifft die Auswahl aus der Gesamtmenge der Publikationen nicht auf
Grund von Zuständigkeit, sondern auf der Basis eines jeweils festgelegten
thematischen Sammlungschwerpunkts.
Bücher und Zeitschriften werden in der Bibliothek als Einzelstücke ka-
talogisiert und durch Indizes erschlossen. Durch die Bearbeitung werden
sie inhaltlich nicht verändert, dies geschieht allenfalls äußerlich durch Ein-
binden. An die Seite der traditionell gedruckten Werke treten in Bibliothe-
ken immer häufiger Veröffentlichungen auf elektronischen Speicherme-
dien. Der physische Besitz der originalen Informationsträger (Bücher,
Zeitschriften) tritt zugunsten der bloßen Informationsvermittlung zurück.
Die zunehmende Digitalisierung von Bibliotheksbeständen leitetr das
Selbstverständnis und die Arbeitsweise der Bibliotheken einen Paradig-
menwechsel ein.
3
2
Rogalla von Bieberstein, Johannes: Archiv, Bibliothek und Museum als Doku-
mentationsbereiche. Einheit und gegenseitige Abgrenzung, Pullach 1975 (= Bi-
bliothekspraxis. 16), S. 26f.
3
Leskien, Hermann: Ein Zeitalterr Bibliotheken. Vielfältig gewandelte Rah-
menbedingungen erfordern eine tiefgreifende Neuorientierung, in: Zeitschriftr
Bibliothekswesen und Bibliografie 44,1997, S. 1-19.

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