2.4 Fotos und audiovisuelles Archivgut
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2.4 Fotos und audiovisuelles Archivgut
2.4.1 Fotos
Eine Fotografie ist ein Bild, das durch das Belichten einer lichtempfindli-
chen chemischen Substanz in einer Kamera erzeugt wird.
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Die lichtemp-
findliche Substanz ist in der Geschichte der Fotografie auf unterschiedli-
chen Trägern aufgebracht worden. Den Franzosen Nièpce und Daguerre
gelang es 1837/39, die lichtempfindliche Lösung zu fixieren, ohne daß die
sog. Daguerrotype zu kopieren war. Erst 1850 schaffte es der Engländer
Talbot, kopierbare Fotos auf Papier anzufertigen. Seit dieser Zeit sind Ne-
gative und Positive zu unterscheiden.
Die Negative entstanden zunächst auf Glasplatten, bis etwa 1900 im nas-
sen Kollodiumverfahren, seit 1870 - zunächst parallel - durch die Gelati-
netrockenplatte. In der weiteren Entwicklung traten Zellulosebänder (Fil-
me) neben die Glasplatten und ersetzten sie im 20. Jahrhundert weitge-
hend. Die Zellulose war in der Anfangsphase mit Nitraten versetzt und da-
mit leicht brennbar. Dies erfordert noch heute beim Umgang mit alten Fil-
men archivische Vorsichtsmaßnahmen. Die späteren und heute noch übli-
chen Sicherheitsfilme aus Azetaten bzw. Polyester bannten die Brandge-
fahr.
Die Positive gab es zum einen von der Mitte des vorigen Jahrhunderts
bis 1920 aus Albuminpapier mit einer Schicht. Es sah rotbraun, purpur
oder schokoladenbraun aus, helle Partien waren oft gelblich. Positive mit
zwei Schichten kommen bis heute als Gelatinesilberpapier in den Handel.
Die Farbfotografie erzeugt seit 1936 Diapositive, seit 1938 Farbnegative
und seit 1942 Farbpositive auf Papier. Technisch wird die Fotografie nicht
nur vom Belichtungsobjekt, sondern auch von der Kamera und von der
eingebauten Optik bestimmt. Die von George Eastman in den 1880er Jah-
ren entwickelte Kamera vereinfachte das Fotografieren. Durch Druck auf
den Auslöserknopf wurde der Film weitertransportiert. Die Umstellung
auf das trockene Belichtungsverfahren (R. L. Maddox 1871) und die Fort-
schritte der Feinmechanik verkürzten die Belichtungszeit und machten
verzerrungsfreie, scharfe Bilder möglich.
Der Verwendung der Fotografie im Unternehmen ging die Verwendung
durch den Unternehmer voran. Die Fotografie war ein bürgerliches Me-
dium. Das Publikum ließ sich bereits in den 1840er Jahren ablichten und
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Diesem Abschnitt liegt ein Skript zugrunde, das Evelyn Kroker, Bergbau-Archiv
Bochum, und Friederike Reutter, Unternehmensarchiv der BASF, bei Fortbil-
dungslehrgängen der VdW verwendeten. Weiterhin wurde benutzt Gernsheim,
Helmut: Geschichte der Photographie. Die ersten hundert Jahre, Frankfurt/M.
1983.
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2. Das Archiv gut der Wirtschaft
bewahrte die Daguerrotypie auf. Als Teil von Familiennachlässen kommen
deshalb Porträtaufnahmen ins Wirtschaftsarchiv.
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Die massenhafte industrielle Nutzung der Fotografie setzte im letzten
Drittel des 19. Jahrhunderts ein. Unternehmen nutzten sie indessen schon
früher. Bei Krupp ist der Einsatz von Fotos zu Repräsentations- und Wer-
bezwecken seit 1861 nachweisbar, als das Unternehmen einen eigenen Fo-
tografen beschäftigte und im Laufe der 1860er eine Photographische An-
stalt einrichtete.
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Motive der Fotos waren Panoramaansichten von den
Produktionsstätten, bald auch einzelne Erzeugnisse und gebaute Anlagen,
die in Musterbüchern zusammengestellt wurden.
Von der Repräsentationsfotografie ist die Dokumentationsfotografie zu
unterscheiden. Erfüllten die Fotos in Musterbüchern externe Zwecke, so
dienten sie aber auch frühzeitig als Belegr gelieferte Maschinen. In ei-
nem Inventarr das Zeichenbüro von Krupp wurden 1879 neben knapp
8000 Lithographien 760 Fotografien
aufgeführt.
Fotografisch zu dokumen-
tieren war neben der Produktion der Betrieb, z.B. Neu- und Umbauten
oder Unglücke. Aus der Sammlung von Negativplatten entstanden seit et-
wa 1910 eigene Fotoarchive in Unternehmen. Die Fotografie wurde zuneh-
mend gezielt als Mittel eingesetzt, um Sicherungsüberlieferungen zu schaf-
fen und um das Mengenproblem zu lösen. Systematisch ist dann nach dem
Zweiten Weltkrieg der Mikrofilm als wirtschaftliches Aufbewahrungsmit-
telr technische Zeichnungen eingeführt worden.
Eine andere Funktion erfüllten im Unternehmen die zu Alben organi-
sierten Fotos von gebauten Anlagen. Sie stellten Referenzobjekter in-
terne und externe Zwecke zusammen und ähneln darin den Muster-
büchern der Werbung.
Nicht nur Maschinen sondern auch Menschen waren Gegenstand der
Werksfotografie. Auf den ältesten Fotos kamen Menschen bloß als Staffa-
ge vor, sie waren dem erstellten Produkt untergeordnet. Gruppenbilder,
die seit etwa 1880 vorliegen, zeigen stolze Arbeiter mit ihren Werkzeugen,
oft mit einem Schild, das ihre Abteilung ausweist. Der einzelne Arbeiter an
seinem Arbeitsplatz wird erst seit der Jahrhundertwende, vermehrt in den
1920er Jahren thematisiert.
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Nicht zufällig fallen in diesen Zeitraum höhe-
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Schambach, Karin: Photographie - ein bürgerliches Medium, in: Hein, Dieter/
Schulz, Andreas (Hrsg.): Bürgerkultur im 19. Jahrhundert, München 1996,
S. 66-81; vgl. die Beiträge von Lothar Gall, Karin Hartewig und Rudolf Herz in:
Tenfelde, Klaus (Hrsg.): Bilder von Krupp. Fotografie und Geschichte im Indu-
striezeitalter, München 1994.
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Dewitz, Bodo von: „Die Bilder sind nicht teuer und ich werde Quantitäten davon
machen lassen!" Zur Entstehungsgeschichte der Graphischen Anstalt,
in:
Tenfel-
de (wie Anm. 35), S. 41-66.
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Matz, Reinhard: Industriefotografie. Aus Firmenarchiven des Ruhrgebiets, Essen
1987.

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