5.5 Verlaufsphasen des Handlungsorientierten Unterrichts 109
Abb. 5.2 Das reale Leben – ein idealer Anknüpfungspunkt für handlungsorientiertes Lernen
10. Handlungsorientierter Unterricht ist sich seiner Grenzen bewusst. Ein methodischer Ex-
klusivitätsanspruch ist nicht seine Sache. Auch andere Unterrichtsformen behalten ihre
Berechtigung. So stellt etwa Gudjons (2003) selbst im Rahmen seiner didaktischen Pub-
likationen einen viel beachteten Beitrag zur Integration von Frontalunterricht in offene
Unterrichtsformen zur Diskussion.
5.5 Verlaufsphasen des Handlungsorientierten
Unterrichts
Planung und Ablauf des Handlungsorientierten Unterrichts können idealtypisch in Anleh-
nung an Werner Jank und Hilbert Meyer (2008, 328 ff.) mit 6 Phasen beschrieben werden
(vgl. auch Koch 2007, 105 ff.):
1. die vorläufige Entscheidung über das Arbeitsthema,
2. die Vorbereitungsphase durch den Lehrer,
3. die gemeinsame Einstiegsphase,
4. die Vereinbarung der Handlungsergebnisse,
5. die Erarbeitungsphase und
6. die Auswertungsphase.
In der Phase der vorläufigen Entscheidung über das Arbeitsthema sind die Schüler noch nicht
unmittelbar an der Planung beteiligt. Hier wird vom Lehrer ein Orientierungsrahmen für ein
später festzulegendes Thema bestimmt. Die Bedeutsamkeit dieser Phase wird gemeinhin
110 5 Der Aspekt der Handlungsorientierung in der Unterstützenden Didaktik
unterschätzt. Faktisch werden hier schon wichtige thematische Weichen für den Rahmen und
die inhaltliche Ausrichtung des gemeinsamen unterrichtlichen Handelns gestellt. Von hohem
Bedeutungsgrad sind die antizipatorischen und diagnostischen Fähigkeiten der Lehrkraft in
Bezug auf solch zentrale Planungselemente wie die Schülerinteressen und den Lebenswelt-
bezug des zu wählenden Arbeitsthemas. Die Themenformulierung darf weder inhaltlich zu
eng noch sprachlich zu fein erfolgen, weil ansonsten die kooperativ vorzunehmenden Opera-
tionalisierungen für den Verlaufsprozess erschwert werden können.
Die Entscheidung über das Arbeitsthema geht nahtlos in die Vorbereitungsphase durch den
Lehrer über. Sie kann in Teilen sogar zeitlich deckungsgleich ausfallen. In dieser Phase geht
es um die Feststellung der fachlichen und didaktischen Voraussetzungen (etwa der fachwis-
senschaftlichen Struktur eines Unterrichtsthemas), um Bezüge des Themas zu Richtlinien
und curricularen Vorgaben und um die Klärung organisatorischer und institutioneller Fak-
toren. Von besonderer Bedeutung ist die Formulierung der Lehr- und Lernziele, sowohl unter
dem Gesichtspunkt der Perspektive des Lehrers (als „seine“ Lehrziele) als auch von poten-
ziellen Handlungszielen der Schüler.
In der Einstiegsphase, die Gudjons (2008, 149) als bedeutsamste Teilsequenz des Unter-
richtsverlaufs einstuft („Die entscheidende Frage ist, ob und wie sich Lehrziele und Hand-
lungsziele vermitteln lassen.“), wird ein handlungsbezogener erster Kontakt mit dem Thema
vollzogen. In einer ersten thematischen Annäherung geht es um die Erarbeitung eines the-
menbezogenen Orientierungsrahmens, im weiteren Verlauf dann um eine (häufig schwierige)
Abgleichung der unterschiedlichen Erwartungen der Schülerschaft auf der einen und des
Lehrers bzw. (für den Fall eines fächerübergreifenden Unterrichtens) der beteiligten Lehr-
kräfte auf der anderen Seite. Qua Berufsrolle und gesellschaftlich definiertem Professions-
verständnis kommt es für den Lehrer in dieser Phase häufig zu einer sozialen und themati-
schen Gratwanderung, weil er zum einen Anwalt der curricularen Passung, der fachwissen-
schaftlichen Richtigkeit und auch normativ begründeter Verhaltenserwartungen ist und zum
anderen die Lebensweltbezüge und subjektiven, häufig sehr gegenwartsbezogenen Schüler-
interessen und -motive zu berücksichtigen und in den Entscheidungsprozess über die Pla-
nung und Durchführung zu implementieren hat. Die Beteiligung der Schüler fungiert dabei
nicht als pseudodemokratische „Deckblattfunktion“, sondern hat – wie der gesamte Unter-
richt – „Ernstcharakter“. Dieser kooperative Einstiegsprozess kann unter Umständen auch in
eine abweichende Bestimmung der in der ersten (eher lehrerzentrierten) Phase formulierten
Handlungsziele (und sogar der Lehrziele) münden. Allerdings bleiben die Lehrziele des
Lehrers „… auch nach einer möglichen Veränderung organisierendes Prinzip für die Ziel-
orientierung [Hervorh. im Original] des Unterrichts, während Handlungsziele in einer vor-
strukturierten Eingangsphase des Unterrichtens didaktisch entwickelt, aufgebaut und ge-
fördert werden“ (Gudjons 2008, 149).
Die möglichst konsensuelle Einigung (Abstimmungen und Mehrheitsentscheidungen gelten
nicht als Königsweg!) bildet dann die Grundlage für die vierte Phase, die gemeinsame Ver-
einbarung der Handlungsergebnisse.
Die Phase der Erarbeitung umfasst das Arbeiten in kleinen oder großen Gruppen an der
gestellten Aufgabe. Innerhalb dieser Phase finden regelmäßig Zwischenbilanzierungen, Leis-
tungsüberprüfungen und Beratungen statt. Auch didaktische Einschübe gemäß dem Lehr-

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